Furmagin da cion
Weit ist die Reise ins Puschlav, dem
äussersten Zipfel der Schweiz. Aber es lohnt sich, nicht nur wegen der
atemberaubenden Bergwelt sondern auch ganz profanen, kulinarischen Gründen
wegen. Die Küche des italienischsprachigen Bündnerlandes bietet alles, was
Bauch und Seele nährt und nur schon der Furmagin da cion ist eine Reise wert.
Die Küche des Süd-Graubündens war eine
Cucina povera, man liess nichts verlorengehen, vor allem verschwendete man
nichts. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstand auch der „Käse vom Schwein“,
eine Pastete, die früher der Restenverwertung diente.
Mincha
trat ha sia saschun heisst eine rätoromanisches
Sprichwort: Jede Speise hat ihre Jahreszeit. So auch
der Furmagin da Cion. Wenn eimal im Jahr der Störmetzger von
Hof zu Hof ging dann war das immer ein grosses Fest für die ganze Familie.
Nebst den traditionellen Metzgete-Gerichten wie Blutwurst oder der
Schlachtplatte wurden in einigen Puschlaver Familien auch die Reste wie Magen
und Backen mit Leber, Zwiebeln, Wein und Gewürzen gemischt und in einer grossen
Holzform für Käse gebacken. Da hatte jede Familie ihr eigenes, streng gehütetes
Rezept und so ein grosser Fleischkuchen hielt dann auch eine gute Woche. Und
wenn man sich gegenseitig besuchte, nahm man immer ein paar „Tast“ mit, etwas
zum probieren. So ass man nicht nur einmal im Jahr frische Leberwürste oder
Furmagin da cion sondern konnte sich über mehrere Wochen mit immer wieder
frischen Köstlichkeiten die Seele wärmen. Am besten schmeckte der Furmagin da cion
noch lauwarm und für die Kinder war es immer eine besondere Belohnung, wenn sie
davon ein Stück abkriegten.
Mit dem Verschwinden der Bauernbetriebe
ging auch der Furmagin da cion ein wenig Vergessen. Zwar gab es immer noch den
einen oder anderen Metzger, der diese Pastete herstellte aber eher mit mässigem
Erfolg. Vor ein paar Jahren nahm sich der junge Sandro Marchesi dieser alten
Spezialität an. Zusammen mit Reto Raselli, der in Le Prese Schweine in
Bioqualität züchtet und Michele Branchi, dem Schlachter, hat er die Rezeptur
leicht überarbeitet. Die früher verwendeten Hausweine waren für das heutige
Geschmacksempfinden zu säuerlich. Die drei haben intensiv nach den besten
lokalen Zutaten gesucht – ausser dem Pfeffer kommt alles aus der Region – um
aus dieser traditionell eher rustikalen Spezialität eine wahre Delikatesse zu
machen, eine rustikale Delikatesse. Hergestellt werden sie auch heute noch in
aufwändiger Handarbeit. Jede einzelne der heute mit rund 300 Gramm einiges
kleineren Pasteten wird, bevor sie gebacken wird, in ein Schweinsnetz
eingewickelt. Genossen wird der Furmagin da cion heute meistens kalt, am besten
dünn aufgeschnitten, mit einem frischen Stück Puschlaver Ringbrot (mit Anis)
und einem ehrlichen Glas Puschlaver Rotwein. Die dünnen Scheiben passen aber
auch bestens zum Beispiel zu einem Risotto verde mit Krautstiel. Erhältlich ist
der Furmagin da cion nun aber das ganze Jahr über, auch wenn er vermutlich im
Herbst und Winter am besten schmeckt.
Macelleria Scalino
Sandro Marchesi
7745 Li Curt