Donnerstag, 31. Oktober 2013

Furmagin da cion


Furmagin da cion

Weit ist die Reise ins Puschlav, dem äussersten Zipfel der Schweiz. Aber es lohnt sich, nicht nur wegen der atemberaubenden Bergwelt sondern auch ganz profanen, kulinarischen Gründen wegen. Die Küche des italienischsprachigen Bündnerlandes bietet alles, was Bauch und Seele nährt und nur schon der Furmagin da cion ist eine Reise wert.

Die Küche des Süd-Graubündens war eine Cucina povera, man liess nichts verlorengehen, vor allem verschwendete man nichts. Aus dieser Notwendigkeit heraus entstand auch der „Käse vom Schwein“, eine Pastete, die früher der Restenverwertung diente.

Mincha trat ha sia saschun heisst eine rätoromanisches Sprichwort: Jede Speise hat ihre Jahreszeit. So auch der Furmagin da Cion. Wenn eimal im Jahr der Störmetzger von Hof zu Hof ging dann war das immer ein grosses Fest für die ganze Familie. Nebst den traditionellen Metzgete-Gerichten wie Blutwurst oder der Schlachtplatte wurden in einigen Puschlaver Familien auch die Reste wie Magen und Backen mit Leber, Zwiebeln, Wein und Gewürzen gemischt und in einer grossen Holzform für Käse gebacken. Da hatte jede Familie ihr eigenes, streng gehütetes Rezept und so ein grosser Fleischkuchen hielt dann auch eine gute Woche. Und wenn man sich gegenseitig besuchte, nahm man immer ein paar „Tast“ mit, etwas zum probieren. So ass man nicht nur einmal im Jahr frische Leberwürste oder Furmagin da cion sondern konnte sich über mehrere Wochen mit immer wieder frischen Köstlichkeiten die Seele wärmen. Am besten schmeckte der Furmagin da cion noch lauwarm und für die Kinder war es immer eine besondere Belohnung, wenn sie davon ein Stück abkriegten.

Mit dem Verschwinden der Bauernbetriebe ging auch der Furmagin da cion ein wenig Vergessen. Zwar gab es immer noch den einen oder anderen Metzger, der diese Pastete herstellte aber eher mit mässigem Erfolg. Vor ein paar Jahren nahm sich der junge Sandro Marchesi dieser alten Spezialität an. Zusammen mit Reto Raselli, der in Le Prese Schweine in Bioqualität züchtet und Michele Branchi, dem Schlachter, hat er die Rezeptur leicht überarbeitet. Die früher verwendeten Hausweine waren für das heutige Geschmacksempfinden zu säuerlich. Die drei haben intensiv nach den besten lokalen Zutaten gesucht – ausser dem Pfeffer kommt alles aus der Region – um aus dieser traditionell eher rustikalen Spezialität eine wahre Delikatesse zu machen, eine rustikale Delikatesse. Hergestellt werden sie auch heute noch in aufwändiger Handarbeit. Jede einzelne der heute mit rund 300 Gramm einiges kleineren Pasteten wird, bevor sie gebacken wird, in ein Schweinsnetz eingewickelt. Genossen wird der Furmagin da cion heute meistens kalt, am besten dünn aufgeschnitten, mit einem frischen Stück Puschlaver Ringbrot (mit Anis) und einem ehrlichen Glas Puschlaver Rotwein. Die dünnen Scheiben passen aber auch bestens zum Beispiel zu einem Risotto verde mit Krautstiel. Erhältlich ist der Furmagin da cion nun aber das ganze Jahr über, auch wenn er vermutlich im Herbst und Winter am besten schmeckt.

Macelleria Scalino
Sandro Marchesi
7745 Li Curt